Schriftzug Thomas Borghoff

Historische Baustoffe - Ein typischer Nischenmarkt (September 2000)

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Der Handel mit historischen Baustoffen ist ein typischer Nischenmarkt mit ausgeprägtem Wachstumspotential. Dieses Potential besteht insbesondere im Wiedereinsatz der Materialien außerhalb der Denkmalpflege. Zu nennen sind hier der Einsatz bei der privaten Sanierung alter Gebäude und die Integration historischer Baustoffe in Neubauten mit traditionellen oder zeitgenössischen Entwürfen. Der Wiedereinsatz historischer Baustoffe in der Denkmalpflege stößt auf eine unheitliche Akzeptanz. Die unterschiedlichen Haltungen reichen von prinzipieller Zustimmung über Bejahung im Einzelfall bis hin zur grundsätzlichen Ablehnung.

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Der wachsende Markt außerhalb der Denkmalpflege nützt der Denkmalpflege. Sie verbessert für diejenigen, die in der Reintegration historischer Baustoffe eine zulässige Möglichkeit der Restaurierung sehen, die Chancen mit möglichst authentischen und hochwertigen Materialien zu arbeiten. Um diese, möglicherweise etwas sperrig wirkende These nachvollziehen zu können, ist eine gewisse Marktkenntnis notwendig.

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Marktsituation

Geschätzt 150 Unternehmen bieten in Deutschland historische Baustoffe an. Diese Unternehmen bergen aus Abbruch- und Sanierungshäusern Baustoffe und Bauelemente, sortieren, reinigen, erfassen und lagern sie ein. Sie bieten Sie auf dem freien Markt an, verkaufen sie, beraten die Käufer bei der Auswahl passender Materialien und bauen Sie teilweise auch wieder fachkundig ein. Die Palette des Materialangebotes reicht von Mauerziegeln über Dachziegel, Bauholz, Türen, Beschläge, Dielung, Fliesen, Treppenstäbe, Fensterglas bis hin zu Waschbecken und Wasserhähnen. Quasi alle Baustoffe und Bauelemente bis in die 30er-Jahre des 20. Jahrhunderts hinein sind für diesen Markt von Interesse. Die individuelle Qualität der Materialien reicht dabei von der absoluten Austauschbarkeit eines Hintermauerziegels der Gründerzeit bis hin zum Unikatcharakter einer barocken Haustür.

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Rahmenbedingungen

Ein nicht unerheblicher Teil dieser Unternehmen ist das, was in betriebswirtschaftlichen Lehrbüchern unter die Kategorie »Kleinstunternehmen« fällt: Betriebsinhaber, Ehefrau, eventuell noch Aushilfen oder der eine oder andere Angestellte. Nur wenige Unternehmen erzielen überhaupt einen Umsatz mit dem Verkauf historischer Baustoffe der die Millionengrenze überschreitet. Wie jede Branche hat auch diese Ihre speziellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Ein sich nur auf den Handel, die Sortierung und die Konfektionierung der Baustoffe konzentrierender Betrieb weist, wenn es ihm gut, nicht prächtig geht, einen etwa sechsmonatigen Lagerumschlag auf. Ein ausgesprochener Spezialanbieter mit einem sehr gut sortierten Angebot beispielsweise im Bereich historischer Türen und Beschläge kann sich schon als erfolgreich bezeichnen, wenn er sein Lager alle 24 Monate umschlägt. Diese Werte sind Durchschnittswerte, daß heißt, für einzelne Materialgruppen sind weitaus höhere Lagerstandzeiten keine Seltenheit. Einzelne Baustoffe oder Bauelemente aus dem Gründungsjahr kann ein Unternehmer auch zum zehnjährigen Firmenjubiläum noch präsentieren. Diese Rahmendaten sind im Vergleich zu anderen Branchen unüblich hoch. Die betriebswirtschaftliche Herausforderung ist dabei der hohe Kapitalbedarf der notwendig wird. Bergung oder Einkauf der Materialien muß entsprechend lange finanziert, ein entsprechend dimensioniertes Lager unterhalten werden.

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Die Denkmalpflege als Kunde

Um diesen Kapitalbedarf und die nicht zu vermeidenden weiteren laufenden Kosten zu refinanzieren ist der Unternehmer auf den Verkauf der Materialien angewiesen. Dieser Satz ist in seiner Banalität kaum zu übertreffen, es erscheint mir aber angemessen, an dieser Stelle noch einmal darauf hinzuweisen. Als potentielle Käufer, und das fällt vielen Unternehmensgründern fast schon natürlich als erstes ein, kommen Unternehmen und Einrichtungen der Denkmalpflege in Frage. Beachtenswert finde ich dabei vor allem den Stellenwert der der Denkmalpflege durch diese Aussage zugewiesen wird.

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Im besten Fall erfahren die Vorstellungen des potentiellen Unternehmensgründers in einem von unserem Verein durchgeführten Seminar eine notwendige Korrektur. Dazu möchte ich die Antwort eines Händlers auf meine Frage »Wieviel Prozent Handelsumsatz machen Sie im Bereich Denkmalpflege?« zitieren. Die Antwort des Händlers, selbst Handwerksmeister und Restaurator im Schreinerhandwerk, lautete kurz und bündig: »Prozent? Promille!«.

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Der Bedarf der Denkmalpflege

Auf den ersten Blick erstaunlich ist vor diesem Hintergrund wiederum die Aussage von Unternehmen im Bereich der Denkmalpflege, die sich, durchaus zurecht, darüber beklagen, daß ein gewünschtes Bauteil oder ein benötigter Baustoff nicht »zu besorgen« sei. Bitte stellen Sie sich einfach vor, daß das was wir alle an historischen Baustoffen so schätzen, bei der Suche nach einem Ersatz für einen historischen Befund ein echter Fluch sein kann. Die Vielfältigkeit, Individualität und Verschiedenheit des Materials macht es auch für einen ausgesprochenen Spezialisten schwer, in seinem Lager beispielsweise einen Ersatz für 15 fehlende Fensteroliven zu finden. Hat er tatsächlich 15 dem historischen Befund entsprechende oder auch nur sehr ähnliche Oliven gefunden, heißt es, diese zur Ansicht auszuliefern, abzuwarten bis alle Entscheidungsträger samt Bauherrn dem Einbau zustimmen, eventuell auszutauschen, nachzuliefern, Lösungsvorschläge für technische Probleme zu unterbreiten, um anschließend eine Rechnung über vielleicht DM 800,- im Falle der genannten 15 Fensteroliven auszustellen. Im schlimmsten Fall hört er nach Wochen, daß sich der Bauherr entschlossen hat, die Oliven doch lieber nachgießen zu lassen oder gleich Replika »von der Stange« genommen hat.

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Um eines klar und deutlich festzustellen: Es gibt Händler, die gut und gerne mit der Denkmalpflege zusammenarbeiten. Andere Händler würde gerne, mehr und öfter Unternehmen der Denkmalpflege beliefern. Zur Verdeutlichung möchte ich einen ausgesprochenen Fachmann, Kunsthistoriker und selbst Händler historischer Baustoffe zitieren: »Es ist jedesmal eine Herausforderung das richtige Material zu beschaffen und in höchster Qualität einzubauen. Ich mache das sehr gerne, aber es kostet halt Nerven und rechnen tut sich das auch nicht immer«. Die in dieser Aussage deutlich werdende positive Haltung vieler Händler zur Denkmalpflege und die Arbeit der Branche als Ganzes, ist auch in Fachkreisen auf postive Resonanz gestoßen. Durch die Verleihung einer Goldmedaille für »Besondere Leistungen in der Denkmalpflege« an den Unternehmerverband Historische Baustoffe e.V. im Rahmen der »denkmal 1998« hat diese Wertschätzung auch einen öffentlichen Ausdruck erfahren. Mich persönlich beeindruckt immer wieder auch das Engagement und die Kompetenz, mit dem gerade die Spezialisten der Branche private Bauherren beraten. Bauherren, die ohne finanzielle und fachliche Unterstützung der öffentlichen Denkmalpflege ihr Haus behutsam und mit viel Liebe zum Detail sanieren.

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Wachstum hilft der Denkmalpflege

An dieser Stelle möchte ich auf meine einigermaßen sperrige Eingangsthese zurückkommen, nämlich daß der steigende Einsatz historischer Baustoffe außerhalb der Denkmalpflege auch der Denkmalpflege nützt. Es gibt meines Erachtens nur einen Ausweg aus dem Dilemma, daß der Unternehmer einerseits seine Lagerbestände in ein vernünftiges Verhältnis zum Umsatz bringen muß, die Denkmalpflege bei Ersatzlieferungen nach historischem Befund andererseits auf ein möglichst umfangreiches Lager zugreifen möchte um exakte Übereinstimmung zu erzielen.

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Der Ausweg heißt: Mehr Umsatz, der insgesamt höhere und auch breitere Lagerbestände ermöglicht. Und Mehrumsatz ist nur möglich, wenn die einfacher zu bedienende Nachfrage von außerhalb der Denkmalpflege auch konsequent bedient wird. Und daß mit Bauherren, Architekten oder Handwerkern, die vor einem Regal stehen und sich direkt für eine Fensterolive entscheiden die notwendigen Umsatzsteigerungen einfacher möglich sind, kann nicht wegdiskutiert werden. Mehr Umsatz entsteht auch, wenn es zu einer weiteren Popularisierung des Wiedereinsatzes historischer Baustoffe kommt, ein noch flächendeckenderes Händlernetz und eine Häufung auf spezielle Materialien ausgerichteter Händler entsteht. Diese Tendenzen sind gerade in den letzten Jahren auch zu spüren.

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Gegenargumente

Zu dieser These gibt es Gegenthesen, drei eher praktischer, eine eher ästhetischer Natur, die ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen möchte. Die drei praktischen Thesen sprechen von der Endlichkeit der Ressource »historischer Baustoff« und vom »Abbruchdruck« der durch die Tatsache entsteht, daß ein historischer Baustoff einen wachsenden Wert erfährt. Die dritte These ist eher eine Handlungsempfehlung und lautet: »Wenn die Unternehmer nicht können (wollen), dann muß der Staat (das Land, der Kreis, die Stadt) darum kümmern«. Die ästhetische These spricht von der »Entwertung des Denkmalbegriffs durch abstoßende Wiederverwendung«.

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Endlichkeit: Die Einsicht in die Endlichkeit der Ressource historischer Baustoff ist uns allen bewußt. Aber solange der Großteil historischer Baustoffe Abbruchbaggern, Schreddern, Häckslern, Schmelz- und Verbrennungsöfen zum Opfer fällt, kann Sie keine praktische Bedeutung erlangen.

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Die öffentliche Hand: Es spricht nichts dagegen, wenn aus staatlicher oder privater Initiative heraus Sammlungen zur Dokumentation lokaler oder regionaler Baustoffe entstehen, die in Maßen auch wieder den Weg zurück in den Markt finden. Aus ordnungspolitischen Gründen muß das Engagement staatlicher Stellen allerdings auch in diesem Bereich kritisch hinterfragt werden. Die Bergung, Lagerung und der Handel mit historischen Baustoffen ist beispielsweise kein geeignetes Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Die Unternehmen sind in ihrer jetzigen und für die nahe Zukunft absehbaren Struktur nicht in der Lage durch AB-Maßnahmen »vorbereitete« Arbeitskräfte in erwähnenswertem Umfang aufzunehmen. Wenn darüberhinaus einzelne Maßnahmeträger in direkte Konkurenz zur Privatwirtschaft treten oder zum bevorzugten Lieferanten staatlicher Stellen werden, ist es mit kritischem Hinterfragen nicht mehr getan. Aus eigener Anschauung möchte ich auch darauf hinweisen, daß zudem das Ziel effizienter Mittelverwendung in diesem Rahmen nur selten einen angemessenen Platz findet.

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Abbruchdruck: Eine gewisse Bedeutung hat die These vom Abbruchdruck gewonnen. Zumindest konnte man anläßlich einer scharfen Kontroverse zwischen der Interessengemeinschaft Bauernhaus e.V. (IGB) und dem Unternehmerverband Historische Baustoffe e.V. (UHB) zu diesem Eindruck gelangen. Der im Vereinsblatt der IGB ergangene Aufruf an die etwa 6.000 sehr engagierten Mitglieder der IGB Fälle zu nennen, in denen Händler mit dem Scheckbuch Denkmalbesitzer zum illegalen Abbruch ihres Hauses »überredeten«, blieb allerdings ohne auswertbare Resonanz. Dies kann als Beleg dafür gelten, daß diese These über Einzelfälle hinaus nicht zu halten ist. Niemand kann es dem Hausbesitzer oder dem Händler verübeln, wenn aus einem nicht denkmalgeschützten, nach Recht und Ordnung zum Abbruch freigegebenen Haus Bauteile verkauft werden. Dies hat gerade im ländlichen Raum lange Tradition und ist im Sinne eines optimalen Recyclings auch wünschenswert. Die positive Motivation, für einen schönen, aber ganz und gar nicht außergewöhnlichen Dielenboden wenigstens noch eine kleine Münze zu erzielen, führt zum Wiedereinsatz dieses Bodens, unter Umständen auch in der Denkmalpflege.

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Ästhetik: Die ästhetische These kann leider nicht in Bausch und Bogen verworfen werden. Es gibt Wiederverwendungsbeispiele, die auch mir das Blut in den Adern gefrieren lassen. Der Bauherr findet das gleiche Ergebnis hervorragend gelungen. Gerade auch der Wiedereinsatz historischer Baustoffe in einem aktuellen Architekturkontext ist Geschmackssache. Der Legion schlechter Beispiele lassen sich auch Legionen erstklassiger Lösungen entgegensetzen. Lassen Sie uns daher die Auseinandersetzung um Unzulänglichkeiten heutiger Baukultur nicht ausgerechnet am Thema historische Baustoffe ausfechten. Es ist und bleibt eine Geschmacksfrage.

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Fazit

Die zuvor skizzierten Probleme bei der Versorgung der Denkmalpflege mit originalen historischen Baustoffen liegen zum Großteil in der vielfältigen Natur des Materials begründet. Ansätze zur Verbesserung der Situation werden von den Unternehmen entwickelt. In den letzten Jahren hat sich der Markt zudem stärker diversifiziert. Positive Anstöße entstehen auch durch den Einsatz von Computern zur Erfassung der Materialien und den beschleunigten Austausch von Informationen über das Internet. Auch die größere Markttransparenz, die durch dieses Medium entsteht, sollte es Nachfragern im Bereich der Denkmalpflege einfacher machen, einen oder mehrere geeignete Anbieter zu finden. Wer möchte, daß mehr historische Baustoffe den Weg in die Denkmalpflege finden, kann die entsprechenden unternehmerischen Strukturen fördern. Eine praxisnahe Unterstützung bei der Erfassung der lagernden Materialien und dem entsprechenden Informationsaustausch wäre einer von vielen möglichen Ansätzen hierzu.

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